Wo „Positive Health“ bereits konkrete Formen angenommen hat. Eindrücke von einer Exkursion in die Niederlande

Bereits beim Ankommen an der Hausarztpraxis Afferen (NL), die ich gemeinsam mit meinem Kollegen Jürgen in der Schmitten und einer japanischen Studiengruppe am 24.5.24 besuchen durfte, war zu spüren: Hier ist etwas anders! Vor dem Gebäude in Holzbautechnik wurde ein üppiger Heilkräutergarten angelegt, der von einer Gruppe Freiwilliger aus dem Dorf gepflegt wird. Der helle und freundliche Eingangsbereich des Gebäudes erinnert mehr an ein Café als eine Praxis. An den Wänden finden sich Ankündigungen für lokale gesundheitsfördernde Initiativen wie etwa Angebote für Menschen mit Adipositas, Nikotinentwöhnung oder „Leben mit Demenz“, die teilweise in den Seminarräumen der Praxis stattfinden.

Die Hausarztpraxis Afferden mit dem Team um Hans Peter Jung arbeitet seit 2016 nach dem Konzept von „Positive Health“ und konnte nach und nach durch Schaffung zusätzlicher Arztstellen, Umorganisation und hartnäckiges Verhandeln mit den Krankenkassen erreichen, dass mehr Zeit für Patientengespräche ermöglicht und auch bezahlt wird. Ein wichtiger Baustein dabei ist die Arbeit der medizinischen Assistent:innen, die ein größeres Aufgabengebiet als Medizinische Fachangestellte (MFA) in Deutschland haben und eigene Sprechstunden z.B. für Menschen mit chronischen Krankheiten anbieten.

Im Gespräch betont Hans Peter Jung, dass es für die Implementierung von „Positive Health“ nicht nur darauf ankommt, mit dem gesamten Team eine Vision und einen Plan zu entwickeln, wie man für alle Beteiligten gesünder zusammenarbeiten kann und bessere Ergebnisse erzielen kann. So wurden neue Angebote wie etwa Spaziergänge mit Patient:innen mit Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) im nahe gelegenen Naturpark geschaffen. Darüber hinaus zielt „Positive Health“ auch darauf ab, Menschen mit oder ohne Krankheit in ihrer Eigeninitiative zu aktivieren und im Dorf oder Stadtviertel zusammenzubringen. Aus Workshops zu „Was brauchen wir, um hier gesund und zufrieden zu leben?“ ist beispielsweise ein Willkommens-Besuchsdienst für neue Einwohner:innen oder ein „Dorftagebuch“ entstanden, das von Haus zu Haus weitergegeben wird und gegenseitiges Kennenlernen anregen soll.

Als zweite Station besuchten wir das 5 km entfernte „Vitalitätszentrum Brabant“, das damit wirbt, dass es ein Ort ist, „an dem Positive Health eine physische Form angenommen hat”. Hier findet sich unter einem Dach eine Physiotherapie-Praxis, ein Fitness-Studio, ein Sportcafé und ein B&B Hotel. Überall im Gebäude, so auch in den Hotelzimmern, finden sich kreative und teils kunstvolle gestaltete Hinweise auf „Positive Health“. Wer tiefer einsteigen möchte, kann bei den enthusiastischen Betreibern Susan und Wouter van Dongen ein Wochenende mit einer „Positive Health Experience“ buchen. Beide betonen, dass sie mit ihrer Initiative auch einen sozialen Treffpunkt schaffen wollten, der z.B. in Form von spontanen Spieleabenden oder Dorfmeetings gut angenommen werde.

Die Exkursion hat verdeutlicht, was mit „Positive Health“ sowohl auf Praxisebene als auch auf Community-Ebene möglich ist. Dieser neue auf Eigenverantwortung und Nachhaltigkeit angelegte Ansatz bedeutet nicht zuletzt auch einen konstruktiven Beitrag zur globalen Gesundheit im Sinne von „Planetary Health“.

Achim Mortsiefer

 

PHI visit HP Jung